Die Schattenregierung

geschrieben von Steven Black:

Es geht hierbei nicht um irgendwelche äußeren Mächte, sondern um innere Machtverhältnisse. Um das in uns, was wirklich die Zügel in der Hand hält, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Auch hier gilt – die wirkliche Macht sitzt hinter dem Thron.

“Thron” ist hier eine Metapher für unser Alltagsbewusstsein. “Hinter dem Thron” ist ein Sinnbild für die Dinge, die wir gerne ausblenden, verdrängen oder vermeiden zu fühlen.

“Hinter dem Thron” – das ist unsere Schattenwelt, die oft unbemerkt vom Alltagsbewusstsein, die Regierungsgeschäfte übernimmt.

Es ist das verwüstete Land, wo Verzweiflung lebt, Kummer vor sich hin vegetiert, Splitter des gebrochenen Herzens umherliegen, Depression alles niederdrückt, wo Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht und tiefe Todessehnsucht, weitgehend unbeachtet ihre Runden drehen. Das ist das Schattenland, wo Chaos, Konflikte und Orientierungslosigkeit herrscht. Dort leben unsere inneren Kinder, die durchgeknallten Teenager und wütenden Rebellen.

Mit unserem “Alltagsbewusstsein” machen wir Anstrengungen, darüber wegzukommen. Wir schmieren Beruhigungssalben drauf, wedeln mit Aura Ölen, stählen uns mit Panzern, um von dem tiefen Schmerz in uns zu flüchten. Auf der “normalen Ebene” verwenden wir Alkohol, Drogen, Konsum, Sex und Berieselung jeder Art dafür. Auf der spirituellen Ebene lassen wir uns von Glückskeksen ala “du bist nicht der Denker, du bist nicht deine Gefühle”, Trost spenden.

Tut mir leid, dich zu enttäuschen. Fühlen und Denken gehört zu unseren Sinneswerkzeugen, wie tasten, hören, sehen, schmecken. Sie reagieren auf Stimulation. Unsere Sinne sind Wahrnehmungswerkzeuge um Informationen einzuholen. Du würdest vermutlich nicht auf deine Augen und Ohren, noch auf deinen Geschmacksinn verzichten wollen, oder? Die Frage, was oder wie wir denken, was uns wie wir uns fühlen, beruht auf der Klarheit, die wir über uns selbst und das Leben haben.

Ja, mag sein, dass das was du fühlst oder was du grade denkst, nicht unbedingt von dir stammen muss. Je nachdem, wie empfänglich man ist, “hört” man auch Gedanken anderer oder fühlt deren Emotionen. Aber nicht immer, also ist Unterscheidungsvermögen wichtig. Was wir denken und wie oder was wir fühlen, hat im allgemeinen grundsätzlich etwas mit uns zu tun. Gedanken werden meist von unseren Emotionen und Gefühlen stimuliert und angetrieben, welche eine Reaktion und Interpretation von Emotionen/Gefühlen sind. Unsere Gedanken können “hoch hinaus”, aber eben auch sehr tief “nach unten” gehen.

Was Denken und Gefühle so kraftvoll macht, ist der Umstand, dass wir uns oft nur mit diesen identifizieren. Wir sind natürlich weit mehr, aber wir sind eben AUCH unsere Gefühle und Gedanken. Tu dir selbst einen Gefallen und wirf jedes spirituell klingende Konzept aus dem Fenster, welches dich stimuliert, dass MenschSein von deinem Kern zu isolieren und abzuwerten.

Was wir da machen, das nennt sich Fragmentierung – ob nun durch die spirituell angehauchte Attitüde, sich von Gedanken und Gefühlen zu “desidentifizieren” oder inwendigen Schmerz loswerden zu wollen. Wir separieren uns, trennen Lebensfreude von Lebensfrust, spalten Optimismus von Pessimismus ab oder das Menschsein von der Seele. Und sind uns nicht im klaren darüber, dass genau das die Ursachen für unsere kleinen und großen Konflikte im Leben sind. All das sind Teile von unserem Bewusstsein, Schnappschüsse von unerfreulichen Erfahrungen, die wir nicht verdaut haben und wo wir einfach versuchten zu vergessen, dass es je passiert ist. Wir trennen uns in Teile ab, die wir sein möchten und jene, die wir ganz und gar nicht sein möchten. Dadurch erzeugen wir die eigene Fragmentierung, weil wir alles sind. Und das resultiert in eine Schattenregierung, weil das, was wir ablehnen und verbannen zu versuchen, dann aus unserem “Unterbewusstsein” heraus, sich Gehör und Aufmerksamkeit verschafft.

Fühlen, Denken, Schmecken, Sehen, Hören und tasten, Freude, Lust, Leid und Schmerz gehören zum Leben. Es gibt keine permanente Freude, kein ständiges Leid, keine immerwährende Lust oder anhaltenden Schmerz. Es sind abwechselnde Bewusstseinszustände, die auf bestimmte Erfahrungen folgen. Man kann sie weder festhalten, noch ausschließen – nur Leben und annehmen, wann immer sie auftauchen.

Schmerz oder Leid sind Informationen, die uns etwas wichtiges mitteilen, was es zu lernen gibt. Indem wir sie verdrängen und die Teile von uns, die den Schmerz erlebten abspalten, können wir ihn weder verdauen, noch etwas daraus lernen. Was dann passiert, sind Wiederholungen solcher Erfahrungen. Das führt natürlich zu einer Abfolge unerfreulicher Emotionen und einen Güterzug voller Gedanken, die sich ständig darum drehen. Wir sind quasi gezwungen, diese Erfahrungen zu wiederholen, was nichts anderes als der Versuch ist, uns mit der Nase auf das Thema zu stoßen.

Diese Fragmentierung der eigenen Persönlichkeitsstruktur ist möglich, weil wir einen mentalen Mechanismus zur Verfügung haben, um die unglaubliche Menge an Informationen, die tagtäglich auf uns einstürmen, auf die wichtigsten zu begrenzen. Wir missbrauchen diesen Mechanismus, um eben auch alles andere, was uns nicht wünschenswert scheint von unserem Bewusstsein auszublenden – speziell unerfreuliche Emotionen. Doch dieser Schuss geht regelmässig nach hinten los und trifft uns im wahrsten Sinne, in den Arsch ..

Doch es ist die Art und Weise, wie wir bisher überlebten. Wie wir weitermachen konnten, mit unserem Leben. Weil wir vielleicht nicht wussten, was wir sonst hätten tun sollen.

Aber diese Fragmentierung kann man wieder rückgängig machen. Vielleicht nicht heute oder gleich Morgen – es braucht Zeit und Durchhaltevermögen, aber es ist möglich. Indem wir bereit sind, mutig die eigene Dunkelheit, das schwarze Reich “hinter dem Thron” zu betreten.

Indem wir den Schatten im Inneren begegnen und sie fühlen, integrieren und verdauen wir diese. Das wird weh tun, wirkliche Schattenarbeit bricht dich auf. Aber das verhindert, dass sich der Schmerz in unserem Inneren zu einer Waffe formt, welche sich gegen uns selbst richtet. Fühlen und Akzeptanz korrigiert Fragmentierung, holt die inneren Kinder und andere Teile wieder zurück ins Bewusstsein. Es gibt dann keinen Grund mehr, die Regierung aus dem Schatten heraus zu übernehmen.

Im Fühlprozess wirst du mehrere Phasen erleben, bis du wirklich auf den Grund deiner Emotionen durchkommst.

Zuerst wirst du dir ein neues Bewusstsein für deinen Körper erarbeiten. Als nächstes wirst du, indem du versuchst auf deine unerlösten Emotionen und die beteiligten Teile zuzugreifen, erst einmal mit deinem Widerstand konfrontiert. Das gesamte Wächter-Überlebenssystem wird sich quer stellen. Anstatt nun zu versuchen, das auszublenden und angestrengt weiter in die Tiefe zu tauchen, mache dich mit deinen Widerständen vertraut. Fühle konstant den Widerstand, den Druck, den Krampf, die Verweigerung. Das wird dir mit der Zeit ganz viel darüber erzählen. Irgendwann wirst du dann zu deinen unerlösten Emotionen kommen, langsam nur und zwischendrin wird erneut wieder Widerstand und Verweigerung auftreten. 

Das ist völlig in Ordnung, das ist Teil des Prozesses, also lass dich bitte davon nicht entmutigen und bleib dran. Als nächstes solltest du versuchen, gleichzeitig die belastenden Emotionen UND den Widerstand anwesend sein zu lassen. Aber mit dem Bewusstsein der völligen Akzeptanz, so gut es dir jeweils möglich ist. Beides zu akzeptieren und dass wird ne ziemliche Herausforderung sein.  Wenn du dies lange genug praktizierst, wirst irgendwann mit deinem ganzen Bewusstsein auf den Grund deines Seins kommen. Hat man das erreicht, wird es einfach .. dann gibt es nichts mehr, was man nicht irgendwie handhaben könnte.

Aber bis dahin ist es einfach ein schwieriger, längerer Prozess. Hab keine falschen Vorstellungen darüber, diese Selbstakzeptanz ist nicht an einem Wochenende erreichbar. Aber es lohnt sich sehr, wenn man dran bleibt.

Until next time same station

Weiterführende Informationen:

https://stevenblack.wordpress.com/2015/05/26/der-prsenz-prozess/

https://stevenblack.wordpress.com/2015/10/25/der-emotionale-fhlprozess/

https://stevenblack.wordpress.com/2016/05/06/du-bist-verletzlich-gewhne-dich-daran/

https://stevenblack.wordpress.com/2016/10/18/der-krieg-im-inneren/

https://stevenblack.wordpress.com/2016/06/24/du-selbst-bist-der-mittelpunkt-deines-universums/

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@Steven Black

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Ein Kommentar

  • Was für ein Thema knapp vor Weihnachten .. .. und eigentlich passend. Sind nicht Familienfeste sehr geeignet dafür, dass Schattenregierungen sich irgendwie bemerkbar machen? Vielleicht ergibt sich ja bei dem einen oder anderen eine Situation, die Anstoß geben, sich diesen Text noch mal durchzusehen und anzufangen mit Ansehen der eigenen Dunkelheit .. ..

    Veron
    die heute nicht so recht weiß, welche Art Grüße oder Wünsche sie auf den Weg schicken möchte

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