Der Innerer Kritiker, Scham und Familie

geschrieben von Steven Black:
Die Erfahrung von Scham haben wir alle schon gemacht und wiederholt erlebt. Sie gehört zu einem existentiellen Grunderleben des Menschen. Scham ist grundsätzlich nichts schlechtes, sie ist maßgeblich für die sozialen Prozesse in unserer Gesellschaft verantwortlich und definiert, auf welche Weise wir miteinander umgehen. Scham ist die gefühlsmäßige Wahrnehmung von richtig oder falsch, und wenn wir in einer gesunden Beziehung mit unserer Scham sind, dann gibt sie uns Wahlmöglichkeiten und hilft beim Erkennen, wo Grenzen existieren und eingehalten werden sollten. Wenn ich beispielsweise jemandem unverfroren ins Gesicht lüge und dabei ein Schamgefühl in mir aufsteigt, dann mag ich mich zwar unschön Verhalten haben, bin aber immerhin noch fähig, meinen inneren Kompass wahrzunehmen und das kann mir dabei helfen, dieses Verhalten zu korrigieren.
Scham beginnt schon sehr früh. Zu einer Zeit der frühkindlichen Erfahrung, wo wir krabbelnd beginnen, die Welt um uns herum neugierig zu untersuchen und spielerisch zu entdecken. Unsere Eltern beklatschen noch jeden Pups, den wir stolz präsentieren und freuen sich über jeden Schritt, den wir machen ohne hinzufallen. Dass wir alles mögliche erst mal in den Mund nehmen wollen, quittieren sie lächelnd und geduldig, rücken sie die Tischdecke zum x ten Mal wieder zurecht, an der wir ständig rumzupfen. Wir finden das nämlich ganz toll, diese Entdeckung, wenn du irgendwo ziehst, dann passiert irgendwas – das ist spannend und gehört zum ersten Erlebnis von Selbstwirksamkeit.
Irgendwann kommt aber unweigerlich der Tag, wo die Eltern eher genervt darüber sind, wenn wir bei jeder Gelegenheit rumpupsen und auch noch mächtig stolz dabei lächeln. Sie finden es auch längst nicht mehr so lustig, ständig Tischdecken oder andere Sachen vom Boden aufzuheben und sind dazu übergegangen, stirnrunzelnd und vielleicht mit ärgerlicher Stimme “lass das”, “hör auf damit”, “das tut man nicht” zu sagen. In dieser Zeit sind die Eltern die Vermittler von Realität, sie sind geradezu eine Verkörperung von Realität. Unser Wahrnehmungsspektrum zu dieser Zeit läuft komplett über den Emotionalkörper und ist ganz simpel: Wenn wir uns gut fühlen, dann SIND wir gut. Fühlen wir uns schlecht, dann SIND wir schlecht. Wir sind dann buchstäblich die Erfahrung von gut oder schlecht.
Da geben wir also grade voller Stolz einen Pups von uns, schauen erwartungsvoll Richtung Vater/Mutter und müssen enttäuscht feststellen, dass anstelle von Lob und Bejahung, Laute der Verdrießlichkeit auf uns zukommen. “Was? Das war nicht gut?” Sogleich geben wir uns noch mehr Mühe und wollen einen monumentalen, das ganze Universum einhüllenden Pups produzieren – was vielleicht nicht wirklich gelingt, aber wir wollen uns die Anerkennung für die Anstrengung einheimsen. Wenn wir dann bei diesem Pups zusammengekniffene Augenbrauen, begleitet von einem missbilligenden Blick bemerken, dann fühlt sich das ganz und gar nicht gut an. Kriegt man noch ein “Pfui, das tut man nicht” dazu serviert, fühlt es sich noch schlechter an.
Das Kind versteht die Welt nicht mehr. Wo ist sie hin, die freudige Beklatschung für seine unglaublichen Fähigkeiten? Und es fühlt Scham, es weiß nicht wieso oder warum, aber irgendwie scheint da ein großes Mysterium zu existieren, warum seine Eltern jetzt anders reagieren.
Was hier passiert ist eine Kollision zwischen zwei Realitäten. Die Realität des Kindes, welches lautes pupsen bisher als Quelle der Lust und allgemeinen Heiterkeit erlebte, kollidiert mit der Realität der Eltern, die das plötzlich nicht mehr lustig und nicht mehr gut finden. Als Kinder sind wir darauf angewiesen, dass unsere Eltern unsere Realität bestätigen. Passiert dies nicht, wird das Kind seine Realität zugunsten jener der Eltern aufgeben. Aufgrund der einfachen Tatsache, dass unsere Eltern DIE Autorität von Realität für uns sind, geht es in aller Unschuld davon aus, dass seine Wahrnehmung von der Realität falsch ist. Es übernimmt einfach die Realitätsvermittlung der Eltern und lernt – “okay, pupsen ist vielleicht doch nicht so gut”. Dieses Schamgefühl und die elterliche Realitätsvermittlung formt Lernprozesse. So natürlich und normal das ist, führt es jedoch zu einer ersten und völlig unbewussten Ablehnung der eigenen Gefühlsrealität.
Dabei wird die elterlichen Kritik internalisiert – also ins eigene Bewusstsein hineingenommen, was mit der Zeit zu einem inneren Kritiker führt. Je nachdem, wie stark wir Kritik ausgesetzt wurden, definiert dies die Vehemenz und Stärke des inneren Kritikers.
In diese Box – und weil wir uns momentan mit Scham beschäftigen – nennen wir sie die Schambox, kommt alles an Beurteilungen, Vergleichen, Strategien und mögliche Verhaltensmuster hinein, wie man mit dieser Scham umgehen könnte. So gut wie alles, was auch nur annähernd mit dem Gefühl Scham in Verbindung steht, hat Konsequenzen auf das Gefühlserleben von Scham an sich. Weil es mit überproportionaler Bedeutung überladen wird.
Was zuvor nur ein Gefühl war, dass sich einfach nicht gut anfühlte, bekommt nun ein Etikett und damit einen speziellen Namen. Künftig wird jede Erfahrung und alles was mit diesem Gefühl in Verbindung steht, in dieser Box abgespeichert. Vergleiche werden gezogen und während unserer weiteren Entwicklung, folgt eine Bewertung der nächsten. Das führt naturgemäß zu mehr oder weniger rigiden, starken Überzeugungen, die das jeweilige Gefühlserlebnis aufladen.
Es kommen mit der weiteren Entwicklung Strategien hinzu, die wir als hilfreich befinden, um mit dem betreffenden Gefühl umgehen zu können. Mit der Zeit verdichten sich mehrere Erfahrungen von Realitätskollisionen und führen zu dem falschen Rückschluss, dass irgendwas an dir falsch sein muss – das wiederum führt zu einem mehr oder weniger starken inneren Kritiker und damit zu enorm viel Energieaufwand, um den eigenen Wert unter Beweis stellen zu wollen.
Scham ist also Großteils etwas erzeugtes, etwas das wir gelernt haben und entsteht hauptsächlich über Kritik. Weil die Scham bestimmte Hemmschwellen in uns erzeugt, die für das menschlich-gesellschaftliche Zusammenleben durchaus Sinn machen, dass sie existieren, kann man die Erfahrung von Beschämung und Scham als eine Energie betrachten, die dem gesellschaftlichen Miteinander und dem Zusammenleben dient – was letztlich zu einer Art Regelwerk führt, was angemessen, akzeptabel oder tolerierbar ist und annehmbares Verhalten reglementiert. Und das sind, von Jahrhundert zu Jahrhundert völlig unterschiedliche Regeln ..
Angenommen, ich texte aufdringlich eine attraktive Frau zu, weil ich unbedingt mit ihr schlafen möchte, aber die Frau gibt mir mehrere, eindeutige Signale, dass sie überhaupt nicht daran denkt. Dann werde ich das zu einem bestimmten Zeitpunkt “hören können”, weil ein Gefühl sich in mir meldet, das mir eine Grenze signalisiert, die ich im Begriff bin grade zu überschreiten. Das ist der Fall, wenn ich im Kontakt bin mit einem gesunden Schamgefühl.
Eine ungesunde, toxische Form der Scham wäre, wenn es mich so hemmen würde, dass ich mich nicht mal traue, irgendeine Frau anzusprechen. Schamlosigkeit ist wiederum die krasseste Form, die man entwickeln kann, um mit Scham umzugehen. Weil es dich komplett von dir selbst und anderen Menschen entfernt. Du wirst dann unfähig, in sozialen Beziehungen richtig und falsch zu unterscheiden, weil kein Kompass mehr dafür existiert.
Die Wurzel der emotionalen Scham ist Kritik
Durch unsere Geburt werden wir in ein elterliches Glaubensfeld hineingeboren, mit einem ganz spezifischen Spektrum an Überzeugungen und Annahmen über das Leben, die uns als junger Mensch prägen wird. In diesem Lern – und Anpassungsprozess werden wir unweigerlich einige dieser Regeln übertreten, Gefühle, Handlungen und Worte ausdrücken, die diesen Überzeugungen widersprechen und wofür wir Kritik oder Strafen ernten.
Im Laufe des Erziehungsprozesses, den wir vom Kleinkind, Kind und jungen Erwachsenen durchlaufen, werden sich einige solcher Situationen ergeben, die wir dann gefühlsmäßig und geistig als schmerzhaft erlebten.
“Warum kannst du das nicht?”
„Das kriegst du sowieso nicht hin.“
”So wird nie etwas richtiges aus dir werden.”
“Hör auf, mir auf die Nerven zu gehen!”
„Du bringst Schande über die Familie.“
„Du hast zwei linke Füße.“
„Daran bist nur du Schuld.“
„Dir fällt immer nur Blödsinn ein.“
„Du bist einfach nur zu faul.“
“Sei endlich ruhig!”
„Wenn du mal groß bist, dann …“
“Du musst das besser machen.”
“Streng dich einfach mehr an”.
“Das ist nicht gut genug.”
“Schäm dich”.
Undsoweiterundsofort – wir kennen alle solche oder ähnliche Sätze.
Dr. med. Jochen Peichl, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, schreibt in seinem Buch “Rote Karte für den inneren Kritiker” dazu:
“Psychologen wie der US Amerikaner Jerome Kagan schätzen, dass ein Kind mit 14 Monaten, etwa alle 9 Minuten, ein Verbot oder Kritik von den Eltern hören würde. An anderer Stelle habe ich gelesen, dass ein Kind bis zum 5. Lebensalter schon mehr als 40 000 mal getadelt wurde – ca. 666 mal im Monat und 22 mal am Tag.”
Ich schätze, dass sollte uns eine gute Vorstellung davon vermitteln, wie viel Kritik ein jeder von uns eingesammelt hat. Und zwar in einer völlig normalen Familie, ohne Schläge, ohne sexuellen Missbrauch und andere massive, seelische Missbräuche. Die Wurzel der emotionalen Scham ist Kritik, die wir von unseren Eltern und anderen Menschen, im Laufe unserer Entwicklung zu hören kriegen. Wenn Scham in uns aufsteigt, hängt es sehr davon ab, wie stark wir kritisiert wurden und wie sehr wir uns selbst kritisieren, wie wir Scham dann ausdrücken und erleben.
Es ist völlig normal, dass unsere Eltern die Entwicklung kommentieren, die wir als Kinder machen. Sie weisen uns auf unsere Fehler und Erfolge hin, die wir in ihren Augen haben und kommunizieren das mit Lob, Kritik oder Strafe. Als Kinder erleben wir unsere Eltern in verschiedenen und teilweise widersprüchlichen Zuständen, wo die liebevolle, nährende Mutter, sich manchmal zu einer abweisenden, schlecht gelaunten Mutter verändert. Einer Mutter, die mit uns schimpft, weil wir angeblich irgendwas falsch gemacht haben. Oder ein Vater, den wir manchmal als liebevoll, manchmal als strafend erleben und vielleicht haben die Eltern uns manchmal auch körperlich gezüchtigt.
Im Laufe unserer Entwicklung erleben wir alle, wie unsere Eltern durch Liebe, Lob, Kritik, Beschämung, Ablehnung, Schuldzuweisungen oder Strafe auf uns einwirken und uns damit formen. Das ist unvermeidlich und wenn wir niemanden haben, der uns beibringt konstruktiv mit Kritik umzugehen, hat es Auswirkungen auf unser Leben als Erwachsene.
Wir Menschen schämen uns für unglaublich viele Dinge und unsere ganze Gesellschaft ist geradezu durchtränkt mit toxischer Scham. Es läuft vollkommen unbewusst in uns ab. Der normale Blick ins Schaufenster, wo wir kritisch unser Spiegelbild und unsere Figur, Frisur, Gesicht betrachten – die Wurzel davon liegt in der Scham, weil irgendein Teil von uns sich für das Aussehen schämt. Vielleicht sind wir nicht so schön, wie andere, nicht so muskulös, nicht so sexy, haben nicht so viel Busen oder einen kleineren Penis -wie andere. Sind vielleicht größer oder kleiner wie andere und all die anderen, tausende von Vergleichungen, die wir in jeder Hinsicht anstellen. Niemand ist wirklich frei davon.
Jedes Mal, wenn wir glauben, dass wir etwas nicht können – obwohl wir eigentlich Wissen, wir wären durchaus fähig dazu – dass wir nicht über die Fähigkeiten verfügen oder nicht klug genug sind, um etwas bestimmtes zu tun, werten wir uns selbst ab. Diese Selbstabwertung wird letztendlich von der unbewussten Scham verursacht, die uns quält und uns befürchten lässt, dass wir nicht ausreichen. Diese Angst ist eng mit einem Kindanteil verbunden, der in diesem Gefühl „stecken geblieben“ ist. Dieser innere Kindanteil glaubt tatsächlich, dass er nicht ausreicht, und vergleicht sich ständig irrational mit anderen Menschen, Situationen, Umständen usw. Je älter wir werden, desto mehr Möglichkeiten gibt es, die uns das Gefühl geben, nicht zu genügen – sei es in Freundschaften, der Arbeit oder Beziehungen.”
In unserer Gesellschaft wird die erfahrene Kritik, die wir als Kinder erlebten weitergegeben, indem wir andere Leute, ihr Aussehen, ihr Verhalten, Situationen und Umstände kritisieren. Wenn wir einen kurzen Blick in irgendeine Kommentarspalte bei social media Apps werfen, egal, ob Facebook, Twitter, etc., können wir Tonnen von kritischen Kommentaren und Abwertungen ziemlich persönlicher Natur lesen.
So vieles was wir tun dient nichts anderem als der Vermeidung von Scham. Wir verwenden alle Arten von Drogen, stürzen uns exzessiv in Arbeit, lenken uns mental mit allem möglichen ab, benutzen Sex als eine Strategie, um uns besser zu fühlen oder dissoziieren uns einfach von unseren wirklichen Gefühlen – wir sind alle sehr kreativ darin, diese ungemütliche Emotion zu umschiffen.
Dass Kinder Anleitung, Regeln und Kritik brauchen, sollte unstrittig sein. Das wirkliche Problem besteht darin, dass uns niemand beigebracht hat, wie man mit Kritik und schwierigen Emotionen umgeht. Und wie hätte das jemand schaffen sollen, wenn er selbst nicht gelernt hat, wie man “richtig” kritisiert? In der Vergangenheit gab es kein oder nur wenig Wissen und Erkenntnisse dazu. Geschweige denn, das jemand es gelehrt hätte. Aber heute ist das anders. Heute werden wir in die Lage versetzt – wenn wir denn die notwendige Auseinandersetzung nicht scheuen, diese Dynamik in uns zu verändern.
Wenn wir uns diesen angestauten, unerlösten Emotionen in uns nicht stellen und die Geschichte nicht untersuchen, die zur monströsen Ausuferung unseres Schamempfindens führte, sind wir dazu verurteilt, immer wieder zu denselben, reaktiven Vermeidungs – und Lösungsstrategien zurückzukehren, die wir durch unsere Kindheit und dem Teenagerzeitalter entwickelt haben und werden immer wieder gleich darauf reagieren. Die Kritik der Eltern ist eine Sache, eine ganz andere ist die Internalisierung und Fortsetzung der elterlichen Kritik und die Kritik, die wir von anderen anhören mussten, in uns selbst.
Es ist die eigene, persönliche Selbstverurteilung, die sich durch unseren Inneren Kritiker”, wie in einem bizarren Theaterstück wieder und wieder um sich selbst dreht, die zu einer Anstauung von Scham und damit zu Blockaden führt. Die wiederholte Selbstkritik führt weiter zu starken Minderwertigkeitsgefühlen und einem Gefühl von innerer Wertlosigkeit. Das reduziert die menschliche Erfahrung zu einer Qual und führt zu einem Gefühl der Gefangenschaft, anstatt es als ein Abenteuer betrachten zu können, dem wir voll und ganz gewachsen sind.
Die Psychologen sind sich noch nicht ganz einig darüber, ob Scham angeboren oder nur anerzogen ist. Da gibt’s ziemlich viele Diskussionen drüber. Dieselbe Fragestellung gilt natürlich auch für den Inneren Kritiker. Beruht seine Entstehung, beruht der Innerer Kritiker nur auf situativen Ereignissen in diesem Leben? Oder ist er vielmehr eine konstante Größe in jedem Leben?
Der Innere Kritiker
Der Innere Kritiker ist diese penetrante, negative Stimme in unserem Kopf, die fähig ist einen endlosen Strom von Beurteilungen und Verurteilungen über uns selbst abzugeben. Was manchmal ziemlich schwierig ist, ihn von anderen Gedanken zu unterscheiden, weil wir diese Stimme in der Ich-Form wahrnehmen. So, wie wir natürlich alle unsere Empfindungen und Gedanken, die irgendein Teil in uns ausdrückt, als Ich – Wahrnehmung erleben.
Sich mit dem komplexen Thema der Inneren Anteile auseinanderzusetzen, kann mitunter ziemlich verwirrend sein. Da wird einerseits postuliert, da wären quasi mehrere Wesen in uns vorhanden, während gleichzeitig die Idee vorherrscht, das wäre alles Ich. Das paradoxe ist, beides ist korrekt. Ich bin mein eigener Wächter, ich bin mein eigener Innerer Kritiker, ich bin mein eigenes Inneres Kind, usw.
Wie soll das funktionieren?
Als Menschen neigen wir dazu, unsere eigene Macht sträflich zu unterschätzen. Im ersten Seth Buch von Jane Roberts, “Seth spricht” – das war 1971, warf er uns folgenden Satz vor die Füße:
“Euch ist die vielleicht furchtbarste aller Gaben verliehen worden: die Fähigkeit, eure Gedanken nach außen in körperliche Formen zu projizieren.”
In weiteren Büchern hat er umfassend erklärt, wie wir alle gemeinsam gesellschaftliche Strömungen, bis hin zum Wetter erschaffen – en Masse, nicht alleine persönlich. Alle Seth Bücher dienten im Grunde nur dazu, um in uns ein Bewusstsein dafür zu erzeugen, zu verstehen, dass wir alle, jeder einzelne seine Realität selbst mit-erschafft. Realität ist ein Gemeinschaftsprodukt, wo Dynamik und Kontext gegeben sind, aber auch Zufall eine Rolle spielt. Nicht alles ist quasi durchgeplant, es gibt viel Raum für Fehler und Irrtümer.
Weil ich davon überzeugt bin, dass wir diese Fähigkeit der Projektion, auch intern anwenden. Buchstäblich an uns selbst. Und wie bei vielen unserer eigenen Erzeugungen, nicht sehr bewusst darüber sind. Wir sind Schöpfer (quasi Mini Götter ), und als solche erschaffen wir – permanent, bewusst und sehr viel unbewusst. Kommen wir nun zurück zur Frage, über den Ursprung des Inneren Kritikers:
Kein Innerer Kritiker gleicht einem anderen. Kein Innerer Kritiker, den wir in anderen Leben gehabt haben mögen, ist derselbe wie heute. Die jeweilige Definition, seine “Ecken und Kanten”, unseres Inneren Kritikers, ist eine erneute, aktualisierte Version, die von den Umständen in diesem Leben abhängt. Wir prägen in jedem Leben, eine völlig individuell gestrickte Version eines Inneren Kritikers. Und diese Prägung wird direkt auf unsere Identitätsstruktur aufgesetzt, wird ein Teil des Ichs.
Diese Fähigkeit in uns, die gehörte äußere Kritik zu internalisieren, sie in unser Bewusstsein hineinzunehmen und in weiterer Folge als eine innere, mahnende und selbst kritisierende Stimme in uns zu etablieren, deutet absolut auf diese Fähigkeit zur Projektion hin, wovon Seth sprach.
Wir sind als Seele eine multidimensionale Wesenheit, daher ist auch der Mensch, der wir sind, eine multidimensionale, extrem komplexe Architektur, im kleineren Maßstab. Wir haben Innere Wächter, weil wir selbst ständig über unser eigenes Erleben besorgt sind. Wir haben Innere Kinder, weil wir einst Kinder waren, Innere Teenager, weil wir einst Teenager waren. Wir haben Innere Manager, Feuerbekämpfer und viele weitere Innere Anteile, weil wir in vielen, vielen anderen Leben den Wert solcher Ressourcen als wertvoll und essentiell für das persönliche Überleben betrachtet haben. All dies wurde bisher eher unbewusst, wieder und wieder geprägt. Um unsere fragile, menschliche Psyche, unsere Körper und Identität zu beschützen und zu unterstützen.
Jetzt, wo wir fähig sind, die Tiefe unseres Bewusstseins mehr und mehr zu begreifen, können wir lernen, mit unseren Inneren Anteilen besser umzugehen und sie besser einzusetzen. Es besteht keine Notwendigkeit mehr, einen Inneren Kritiker mit der Stimme vollkommener Verachtung sprechen zu lassen. Es ist möglich, die Härte und Schärfe des Inneren Kritikers zu verändern – wenn man sich damit auseinandersetzt. Es gibt eine kleine Übung, die du gerne mal ausprobieren kannst:
Das nächste Mal, wenn du diese kritische Stimme in dir wahrnimmst, die dich entweder ärgerlich korrigiert oder dir wieder einmal den Vorwurf macht, dass du etwas nicht gut genug gemacht hast, halte inne. Anstatt in deinem Kopf wieder und wieder die Situation zu beleben, wo du etwas nicht richtig gemacht hast, stelle dir ein Gegenüber vor – vielleicht deinen besten Freund oder deine Freundin. Und stell dir weiterhin vor, dass dein Gegenüber genau das nicht richtig oder zu wenig gemacht hat, was du dir selber grade vorgeworfen hast. Und versuch dann, deine beste Freundin oder Freund, auf ihr/sein Fehlverhalten aufmerksam zu machen.
Du wirst feststellen, das dir komplett andere Worte dafür einfallen werden. Du wirst nicht sagen, wie dumm oder faul dein Gegenüber ist. Du wirst höchstwahrscheinlich verständnisvolle, freundliche Worte finden, um das zu adressieren. Immerhin ist das unser Freund/Freundin und wir können verstehen, wenn sie/er vielleicht einen schlechten Tag hatte. Bei dieser kleinen Übung kommt es nicht darauf an, wie berechtig oder unberechtigt, die Maßregelung deines Inneren Kritikers ist oder wahr. Es geht nur darum zu verstehen, dass wir viel schneller dabei sind, uns selbst zu verurteilen. Aber bei einem Freund würden wir das kaum tun.
Das Ziel, bei der Arbeit mit dem Inneren Kritiker ist – zu lernen, uns selbst als unseren besten Freund zu sehen. Das geht natürlich nicht von heute auf Morgen, das braucht Zeit, um den Wortschatz und die Intention der Inneren Stimme zu verändern. Aber es geht.
Und glaubt bitte nicht dieser Stimme in euch, die behauptet, es gäbe bei euch keinen Inneren Kritiker oder auch keine Selbstkritik.
Ich wiederhole es gerne nochmal, und lasst bitte diese Aussage, etwas tiefer sacken:
Dr. med. Jochen Peichl, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, schreibt in seinem Buch “Rote Karte für den inneren Kritiker” dazu:
“Psychologen wie der US Amerikaner Jerome Kagan schätzen, dass ein Kind mit 14 Monaten, etwa alle 9 Minuten, ein Verbot oder Kritik von den Eltern hören würde. An anderer Stelle habe ich gelesen, dass ein Kind bis zum 5. Lebensalter schon mehr als 40 000 mal getadelt wurde – ca. 666 mal im Monat und 22 mal am Tag.”
Es steht natürlich jedem frei, die Implikationen dieser Aussage zu ignorieren. Lernen tun wir dann aber nichts über uns selbst, geschweige denn Veränderungen zu erreichen. Alle Menschen haben Innere Kritiker und kritisieren sich dadurch selbst. Unterschiedlich sind lediglich die Grade, auf welche Weise diese interne Kritik stattfindet. Sie kann durchaus sehr subtil sein, aber auch sehr grob. Das ist, wie gesagt, sehr individuell und hängt einfach von den Umständen in deinem Leben ab.
Until next Time, same Station …
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@ Steven Black
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