Wer bin ich und wenn ja, wie viele?

geschrieben von Renate Hechenberger

Wer bin ich und wenn ja, wie viele ist der Titel eines Buches von Richard David Precht. Den leih ich mir jetzt mal aus, denn er beschreibt wunderbar das erste Erkennen, dass wir mehr sind als wir meinen. Die Herausforderung, ein sogenanntes ICH (oder auch Ego genannt) in ein Selbstbildnis von einem WIR (Innere Personen, das Innere Team, Teilpersönlichkeiten, Aspekte, Subpersönlichkeiten, Energiemuster oder wie auch immer genannt) zu wandeln und alle diese Selbste auf kreative Weise zu integrieren, ist vielleicht die schwierigste Aufgabe in der Entwicklung des Bewusstseins in diesem Moment überhaupt.

Was wir als unser Ich kennen ist kein Ich, es ist vielmehr ein WIR.

Die Vorstellung, dass dieses angenommene Ich vielmehr ein Konglomerat verschiedener Ich-Identitäten und Persönlichkeiten sein könnte, um die menschliche Erfahrung zu potenzieren und die gemeinschaftlich an der menschlichen Erfahrung mitwirken, dies zerrt erst einmal an den Grundfesten des gelernten und ist ziemlich gewöhnungsbedürftig für viele. Denkt man genauer darüber nach und hat man einmal einige “Tauchgänge” in die eigene Psyche hinter sich, dann versteht man sehr schnell, wie die Architektur unserer inneren Landschaft wirklich beschaffen ist. Zum Beispiel sind sich Menschen sehr wohl bewusst darüber, dass „etwas“ in ihnen das eine will, und „etwas“ möchte was anderes, oder auch als unterschiedliche Stimmen bekannt, die sie in ihren Kopf wahrnehmen. Oft kommen die verschiedenen Persönlichkeitsanteile während des Tages durch, ohne dass die Person eine Ahnung davon hat, dass da mehrere Aspekte in ihrer Psyche anwesend sind.

Die Übergänge können fließend, oder manchmal auch abrupt sein. Aber es wird immer aus der Position des Ich wahrgenommen. Dieses ständige Wechseln zwischen den Anteilen ist natürlich und stellt normalerweise kein Problem dar. Diese entstehen erst, wenn zu viele Anteile unterschiedliche Dinge möchten; dann beginnt der innere Kampf den viele gut kennen und der sehr viel Energie und Kraft kosten kann.

Wir mögen über unser „Inneres Kind“, unser „Über-Ich“ oder den Inneren Kritiker (die sind inzwischen populär geworden) unsere Launen und inneren Stimmen sprechen, aber die wenigsten von uns betrachten sie als eigenständige innere Wesen. Stattdessen werden sie als Metaphern für emotionale Zustände betrachtet oder als Aspekte unserer einheitlichen Persönlichkeit. Diese Idee der einheitlichen Psyche ist allerdings eine relativ neue Erfindung der „zivilisierten Gesellschaft“, denn wer sich nur ein bisschen mit den schamanischen Traditionen der Urvölker befasst hat, dem wird schnell klar, dass in all diesen Kulturen es das Reich der Geister gibt und eben auch ein Reich, das von verschiedenen Stimmen und Gestalten bewohnt wird.

Die meisten therapeutischen Modelle lehren, dass die Gründe für all unsere Lebensprobleme in unseren Genen, in neurologischen Prozessen, negativen Gedankenmustern, Mangel an rationaler Selbstkontrolle, kulturellen und familiären Konditionierungen oder strukturellen emotionalen Fixierungen zu finden sind. All diese Faktoren werden dargestellt als das, was zwischen unserer Realität und unserem idealen Selbst steht. Je kleiner diese Diskrepanz, umso größer ist unser Selbstbewusstsein – so die landläufige Meinung. Psychotherapie, ob traditionell oder von Pop-Spiritualität beeinflusst, hatte bisher lediglich zum Ziel, negatives Verhalten, nicht aber die ungesunde Basis unseres Verhaltens insgesamt zu behandeln, und wenn diese Basis nicht gesund ist, dann ist es egal, ob wir dieses Verhalten positiv oder negativ einschätzen. Denn alles, was wir unbewusst nutzen, um eine unangenehme Wahrheit über unser Leben nicht zu fühlen, stellt eine Art von Droge dar. Das anzuerkennen ist eine große Herausforderung.

Bitte hier weiterlesen –> https://renatesblog.com/2017/10/13/wer-bin-ich-und-wenn-ja-wie-viele/

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@Steven Black

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