Das hellste Licht kommt manchmal von den dunkelsten Orten

geschrieben von Steven Black:
Es ist total interessant zu sehen, wie viel epische Musik, gehaltvolle Texte oder tiefsinnige Bücher, auf der Beschreibung oder Bewältigung von Angst und Schmerz beruhen. Dass eine erhebliche Anzahl von Künstlern, denen wir kulturelle und gesellschaftliche Kunstwerke verdanken, während ihrer Reise durchs Leben monumentale Achterbahnfahrten hinter sich hatten, die letztendlich deren kreativen Ausdruck beeinflussten. All die fragmentierten, gebrochenen Seelen, die nicht den Luxus hatten eine stabile Persönlichkeit ausbilden zu können und die gezwungen waren sich selbst Stück für Stück neu zusammenzusetzen und von Grund auf, vom Boden ihres Herzens neu zu formen – denen verdanken wir viel.
W.A.S.P.
– Blackie Lawless, aka Steven Edward Duren, hineingeboren in eine fundamentalistische Baptistenfamilie, wurde in seiner Kindheit vom 8 Jahre älteren Bruder regelmäßig windelweich geprügelt. Er begann dann schon früh durch Schlägereien auffällig zu werden. Als er mit 13 Jahren niedergestochen wurde, schickte man ihn mit 14 auf eine Militärschule. Bald darauf entdeckte er die Musik und spielte mit 16 Jahren bereits an der amerikanischen Ostküste, in lokalen Bars mit seiner Band “Black Rabbits”. Von 1976 – 1982 gründete er mehrere Bands und scheiterte damit. In jeder Band war Blackie Lawless die treibende Kraft, er spielte immer die Rhythmusgitarre und war der Sänger. Nachdem 1982 Nikki Six zu “Motley Crue” ging und dort seinen Platz fand, stöpselte Lawless mit Randy Piper, Tony Richards (Schlagzeug) und Chris Holmes die Band “W.A.S.P.” zusammen. Er selbst wechselte zur Bassgitarre, schrieb die Texte und sang.
In ihren Anfangsjahren waren W.A.S.P. für ihre theatralischen Bühnenshows ziemlich berüchtigt. Da wurden halbnackte Frauen gefoltert, Ratten unters Publikum losgelassen, rohe Fleischstücke und Blut von der Bühne geworfen. 1984 erschien dann das erste Album “W.A.S.P.” – mit über einer Million verkauften Exemplaren. “W.A.S.P. lebten aktiv den Rock’n Roll Lifestyle mit “Sex, Drugs and Rock’n Roll”.
Ganze Städte liefen Sturm, P.M.R.C. lyric watchdogs, besorgte Elternbeiräte, Bürgermeister und selbsternannte Sittenwächter versuchten “W.A.S.P.” den Zutritt zu ihren Städten zu verbieten. Durch ihre Live Auftritte und diverse Zeitungsartikel in jener Zeit, konnte man den Eindruck bekommen, hier wäre die die gemeinste und härteste Rock Band aller Zeiten am Start. Ihre Musik hingegen sprach eine andere Sprache – vor allem die Studioaufnahmen. Schon damals gab es sehr eingängige Melodien, die entweder sehr erdig rockig oder als Balladen hervorkamen – wie “I wanna be somebody” oder “The Flame”.
Über die Bedeutung der Abkürzung W.A.S.P. wurde viel spekuliert. Christliche Gruppen dachten, es stünde für “We Are Satans People”. Die beiden gängigsten und gleichzeitig ältesten Deutungen sind “White Anglo-Saxon Protestants”, was der breiten Bevölkerungsschicht in Amerika entspricht, sowie “We Are Sexual Perverts”. Blackie Lawless behauptete auf Nachfragen dazu immer, es stünde für – “We Ain’t Sure, Pal”.
Die Wahrheit ist, wie so oft, profaner. Es war der erste Bassist Rik Fox, der die Idee hatte, die Band WASP zu nennen, nachdem er im Hinterhof des Bandproberaumes auf eine Wespe trat. Blackie Lawless fügte den Buchstaben jeweils Punkte hinzu, weil er meinte, W.A.S.P. gäbe dem Namen etwas mystisches.
1989 kam eine bedeutende Wende, als die Band das “The Headless Children” Album ablieferte. Die stabile Fanbase war irritiert – die Texte waren plötzlich um einiges anspruchsvoller und progressiver, außerdem kokettierte die Band nicht mehr mit Blut, Feuer und Effekten, sondern setzte auf sozialkritische Themen. Nachdem Blackie Lawless schon immer die treibende Kraft der Band war, konnte man diese Veränderung ohne Probleme mit seiner persönlichen Entwicklung verbinden. Er hatte einen Reifeprozess absolviert, der sich in einem perfekt produzierten, düster ausgerichtetem, atmosphärisch dichten und reifer klingenden Album manifestierte. Voller herausragender, stampfender Hitsongs, inklusive der bittersüßen Ballade “Forever Free”, die eine neue Welle an Fans mit sich brachten. Wie guter Wein, wurde Blackie Lawless immer besser, je älter er wurde und je mehr er Texte mit der Welt teilte, die sein seelisches Innenleben betrafen.
Die ultimative Krönung seiner Schaffensperioden erreichte Blackie Lawless mit “W.A.S.P.” durch das sehr persönliche, teilweise autobiographische Album “The Crimson Idol”, 1992. Es war ein Konzeptalbum, eine Rockoper. Noch heute wird “The Crimson Idol” als das beste Album von “W.A.S.P.” angesehen, sowohl von Kritikern und den Fans.
Die Story von “The Crimson Idol” drehte sich um den Teenager Jonathan Aaron Steel. Sein einziger Bruder, Michael, ist fünf Jahre älter als er und wird von den Eltern bevorzugt, während sie Jonathan für einen Versager halten. Nachdem Michael bei einem von einem betrunkenen Autofahrer verursachten Unfall ums Leben gekommen ist, verlässt Jonathan sein Elternhaus und lebt als Obdachloser auf der Straße. Er verfällt Drogen und Alkohol. Als er beim Vorbeigehen an einem Musikgeschäft eine Gitarre sieht, entsteht in ihm der Wunsch, ein Rockstar zu werden. Nachdem er Berühmtheit und Wohlstand erlangt hat, stellt er fest, dass es das eigentlich nicht ist, was er gesucht hat – nämlich nach wie vor, die Liebe und Akzeptanz seiner Eltern, die er nie bekam. Vor einem seiner Konzerte ruft Jonathan bei seinen Eltern an, als Versuch, die bestehenden Differenzen zu beseitigen und die emotionalen Wunden zwischen ihnen zu heilen.
Deren harte Antwort war – “wir haben keinen Sohn”. Jonathan begreift dadurch, dass eine Eltern ihn niemals akzeptieren werden. Daraufhin entscheidet er sich zum Selbstmord, entfernt während des Konzerts die Saiten seiner Gitarre, formt sie zu einer Schlinge und erhängt sich.
“The Crimson Idol” war die Vertonung des ungeliebten Kind Themas, niemals erhaltener Liebe oder Anerkennung. Leidvolle Kindheitserfahrungen, die der Erwachsene weiter durchs Leben trägt und die ihn weiterhin verfolgen. Gepaart mit emotionalen Texten, epischen Gitarrenriffs und Blackies eindrucksvoller Stimme, wurden Soundteppiche erzeugt, welche die Seele tief berührten.
Die Frage, inwieweit die Figur ihn selbst widerspiegele, beantworte Blackie Lawless in einem “Metal Hammer” Interview so:
„Jonathan repräsentiert ungefähr sechs verschiedene Leute, die ich kenne, mich eingeschlossen. Die Geschichte ist nicht direkt autobiographisch; es fließen ebenso die Erfahrungen von anderen Musikern ein, die ich kenne. Für mich ist es das beste, über etwas zu berichten, worüber ich genau Bescheid weiß.“
Blackie Lawless in: Metal Hammer, Heft 6.1992, Seite 18
Die Realität ist, dass sich sehr viele Texte von ihm ständig um die Suche nach seiner Identität, schmerzvolle Emotionen, Trauer, Depression und Verlust drehen. “The Crimson Idol” war so persönlich, wie auch autobiographisch, wie ein Album nur sein kann. Wie Blackie Lawless einmal in einem Interview, bei einem finnischen Radio Rocksender, die Komplimente der ihn anhimmelnden Interviewerin abwehrte:
“You can only see this beautiful face. But you don’t see how crazy I am inside.”
Das nachfolgende Album “Still Not Black Enough” erblickte 1995 die Welt, eine gute Mischung aus Balladen und rockigen Rhythmen, wie man sie von W.A.S.P. erwarten konnte. Und anstatt die Geschichte einer fiktiven Figur, wie Jonathan zu erzählen, handelte es sich bei diesem Album hauptsächlich um eine Sammlung persönlicher Songs von Blackie Lawless. Einschließlich politischer Themen (“Goodbye America”, eine Kritik an der Bush Ära, was ihm ein zweijähriges Auftrittsverbot in den Staaten einbrachte). Der Song “Still Not Black Enough” war eine Auseinandersetzung mit seinen indianischen Wurzeln. Auch der Tod seiner Mutter (“I Can’t” – My Mother never loved me, deep down she hated me) und andere persönlichen Krisen wurden verarbeitet, die kurz nach der Welttournee von “The Crimson Idol” auftauchten.
Blacky Lawless hat seinen Frieden mit der Welt, seiner Identität, seinen Eltern und Gott gemacht. Buchstäblich, nachdem er verlautbaren ließ, dass er nun Wiedergeborener Christ wäre. Das hätte er seinen Fans nicht unbedingt sagen müssen, da die nächsten zwei Alben “Babylon” und Golgotha”, thematisch um dieses Thema gruppiert waren. Die epische Rock Ballade [ Oh God I] “Miss You” [so] mit einem unglaublichen Gitarrensolo, ließ da keine Zweifel aufkommen. Oder “Golgotha” mit “Jesus, I need you now.” Ich meine, come on, ein Rocksong über Jesus? Aber Blackie Lawless hat das abgeliefert, ohne auch nur ein bisschen Klischeehaft zu sein oder kitschig zu wirken. Und seine Fanbase hat das auch gut aufgenommen – klassische W.A.S.P. Songs eben, die liebt man oder nicht.
LINDA PERRY
– einst gefeierte Sängerin der “4 Non Blondes” und heute etablierte Produzentin und Textschreiberin für Alicia Keys, Pink, Celine Dion, Christina Aguilera, Dolly Parton, Gwen Stefani, Courtney Love, Kelly Osbourne, Lisa Marie Presley, Adele, Cheap Trick, James Blunt, Dorothy Martin und viele, viele andere.
Linda Perry verbrachte ihre Kindheit und Jugend ungewollt, ungeliebt, verwahrlost und vernachlässigt in San Diego. Missbrauchserfahrungen durch ihren älteren Stiefbruder und diverse “Disziplinarmaßnahmen” von ihrer Mutter prägten sie. Ihre Mutter war laut eigenen Aussagen eine Tyrannin, die Linda einbläute, dass Frauen hart sein müssten. Eine ihrer Methoden, um das zu gewährleisten, bestand darin, ihre Tochter zur Strafe, weil sie mit dem Hund gespielt hatte, über Nacht angekettet und nackt in die Hundehütte zu stecken.
Später war sie die meiste Zeit in San Diego schnorrend in Parks anzutreffen und wo sie sich so gut wie jede Droge ins Hirn rammte, die sie finden konnte. Kokain, Crystal Meth, LSD, Alkohol und Tabletten. Diese Episode endete abrupt, als sie stoned von einem 11 Meter Turm im Balboa Park fiel. Irgendwann später begann sie ihre Liebe zur Musik zu entdecken und es stellte sich heraus, dass die Auseinandersetzung mit ihren psychisch-emotionalen Themen zu inhaltlich tiefen Texten führten. Für Linda Perry wurde Musik machen und Text schreiben eine Art Therapieform, die ihr bei der Verarbeitung ihrer Themen half. Bereits 10 von 11 Songs der 4 Non Blondes stammten aus ihrer Feder. Als sie ihre Karriere als Sängerin der 4 Non Blondes freiwillig aufgab, weil ihr das zu oberflächlich war, begann sie für andere Künstler Musik und Texte zu produzieren. Viele davon wurden Welthits ..
Linda Perry über ihren Ausstieg bei 4 Non Blondes:
“Ich kann in allem, was ich tue, nur 100 Prozent wahrhaftig sein, denn die kleinste Lüge fühlt sich in meinem Inneren so faul an. Ich habe das Touren gehasst. Ich hasste es, wenn man mir sagte, was ich tun sollte. Ich hasste es, Fotos zu machen. Das alles fühlte sich für mich scheußlich an. Ich ging zum Label und sagte: „Ich muss aussteigen. Ich muss aufhören. Ich kann das nicht und ich bin sehr unglücklich. Ich will so was wie „Dark Side of the Moon“ machen. Ich will, dass sich die Leute hinsetzen und mir zuhören. Ich will keine betrunkenen Kids, die sich prügeln. Ich will etwas anderes.“ Sie sahen mich an und fragten: „Bist du verrückt?“
Linda Perry beherrscht 8 Musikinstrumente, hat ihr eigenes Tonstudio, ist Produzentin, Managerin, Sängerin, Komponistin und Textschreiberin in einer Person.
Das Rezept, was sie dafür entwickelte, um andere Künstler zu Stars zu machen ist relativ einfach, aber offensichtlich nicht so einfach umzusetzen. Jeder Künstler, der mit Linda Perry gearbeitet hat, wurde durch sie hart herausgefordert. Sie hörten anfangs meistens – “ja, fein, du hast Talent. Aber eine Menge Leute haben Talent, das alleine reicht nicht.” Linda Perry hat verstanden, was einen guten Song wirklich ausmacht – rohe, ungehemmte Emotion. Und sie ist sehr gut darin, das in einem Künstler hervorzuholen. Für den jeweiligen Künstler wird sich das meist anfühlen, wie eine Reise durch die Hölle. Sänger wie Alicia Keys, Miley Cyrus, Pink, Christina Aguilera, Adele, Gwen Stefani, Courtney Love, Kelly Osbourne, Dorothy Martin u.a. können davon berichten.
Linda Perry hat ihre Schutzrüstungen aufgerissen, ihre Panzer, und den Schmerz offengelegt, welchen sie vor der Welt versteckten. “Zeig’s mir”, sagte sie. “Zeig mir, was du vor mir und dir selbst versteckst. Zeig mir deine Ängste, deine innere Dunkelheit ..”
Kling einfach, ist es aber nicht. Der Künstler wird dabei aufgefordert, seine Ängste, seine Unsicherheiten, seine verborgensten Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse offenzulegen und zu artikulieren. Mit Linda Perry zu arbeiten ist wie eine besondere Art von Therapie Session. Wer nach all dieses heftigen Kindheitserfahrungen trotzdem in der Lage ist, so etwas zu tun – und zwar atemberaubend gut, der hat eine Tonne Therapiearbeit an sich selbst gemacht. Das kommt nicht von “ungefähr” ..
Hier ist ein kleiner Ausschnitt davon (3 min.), wie sich das für die Künstler anfühlt:
Die Ergebnisse dieses Prozesses sind dann atemberaubende Songs mit ziemlichen Tiefgang – wie etwa:
What’s Up.” – 4 NON BLONDES/LINDA PERRY
“Dear Mr. President” – 4 NON BLONDES und später von PINK
“I am beautyful [no matter what they say]” – CHRISTINA AGUILIERA
“What You Waiting For?” – GWEN STEFANI
“It fucking hurts” – Deep Dark Robot- LINDA PERRY und TONY TORMAY
“Letter to God” – COURTNEY LOVE mit ihrer Band HOLE
“Lets get the party startet” – PINK
„Just Like a Pill“ – PINK
und viele, viele mehr ..
In all diesen Songs geht es immer um zutiefst menschliche Themen, die sich um die eigene Identität drehen. Um Scham oder Ausgegrenztheit, um Verurteilungen und Nichtanerkennung, Verzweiflung, Einsamkeitsschmerz, weil man nicht verstanden wird. Traumatische Kindheitserfahrungen, unterdrückte, begrabene Gefühle, zerbrochene Träume und Ohnmacht wurden musikalisch zum Ausdruck gebracht, die viele Menschen berührten, die eventuell dieselben Erfahrungen machen mussten, aber denen die Worte dafür fehlten.
Ich könnte noch unzählige andere Künstler als Beispiel anführen, wählte aber diese beiden, aufgrund meiner persönlichen “All Time High List”. Diese beiden Künstler haben mich mein Leben lang begleitet. Und ich höre sie heute noch. Der kurze Abriss ihrer Laufbahnen steht exemplarisch für eine lange Reihe von Künstlern, welche der Welt große Geschenke überreichten, indem sie ihre persönlichen Emotionen, ihren Weltschmerz, ihre Unsicherheiten und Verletztheit, in Worten und Tönen ausdrückten, die eine ganze Generation berührten. Sie fungieren als Leitsterne des emotionalen Ausdrucks, indem sie zeigen, wie das ausdrücken selbst schon heilsam sein kann.
Sie demonstrieren, selbst wenn du einen wirklich schlechten Start ins Leben bekommen hast – du kannst trotzdem etwas wertvolles daraus machen. Sie haben in sich diese eine Talent gefunden, das ihnen geholfen hat ihr Leben zu meistern. Und solch ein Talent haben alle Menschen. Jeder ist in irgendetwas sehr gut, es muss nicht singen oder komponieren sein und es geht auch nicht darum, ein Star zu werden. Eher darum, dieses Talent in sich zu kultivieren, auszubauen und etwas sinnvolles damit zu machen. Und das braucht viel Disziplin und Arbeit an sich selbst.
Viele Menschen in der spirituellen Community fragen immer wieder – “was ist meine Mission?“Linda Perry oder Blackie Lawless haben sich diese Frage wahrscheinlich nie gestellt. Sie haben sich einfach selbst als Mission begriffen und haben sich selbst gelebt. Sie würden vermutlich sagen: “DU bist deine verdammte Mission. Es gibt keine andere, also lebe dein Leben.”
Irgendwie haben diese Künstler es geschafft, über ihr fragmentiertes, traumatisiertes Kindheits-Ich hinauszuwachsen, ohne sich im Laufe dieses Prozesses selbst zu zerstören. Viele andere Künstler haben das nicht geschafft – Chester Bennington – Linkin Park, Chris Cornell – Soundgarden, Michael Hutchence – INXS, Kurt Cobain – Nirvana, Sid Vicious – Sex Pistols, Janis Joplin, Jim Morrison, und viele, viele mehr, sind an ihren persönlichen Themen zerbrochen.
Es gibt wohl niemanden, der irgendwem solche oder ähnlich schwere Erfahrungen wünscht. Aber sie passieren – warum auch immer.
Nehmen wir einmal an, keiner der genannten oder auch ungenannten Künstler hätte solche Erfahrungen hinter sich. Würden wir dann trotzdem solche epischen Meisterwerke von ihnen gehört haben? Wahrscheinlich nicht ..
Auch wenn wir das niemandem wünschen und wir allgemein gesehen, negative Erfahrungen und Schmerz aus unserer Wahrnehmung gerne verdrängen, kann Schmerz ein großer Katalysator, ein Lehrer von Weisheit und Erzeuger persönlicher Tiefe sein. Als Menschen wachsen wir an unseren Herausforderungen, an unseren Verlusten und wir können durch Leid reifen. Leiden kann eine Schnellstraße zur persönlichen Entwicklung sein – wenn du es schaffst, nicht im Leid stecken zu bleiben.
Die Betonung liegt hier auf “können”, eine Garantie gibt’s dafür natürlich nicht.
Hätte beispielsweise Linda Perry eine unbeschwerte, einfache Kindheit und Jugend gehabt, wir würden wahrscheinlich nie in den Genuss ihres “Briefes an Gott” (Letter to God) gekommen sein. Darin wird die Daseinsverzweiflung eines Menschen ausgedrückt, der Gott um Hilfe bittet und um eine Erklärung, wer er ist und worum es im Leben geht. Und dass er sich dafür schämt, der Mensch zu sein, der er geworden ist. Dass er Angst hat innerlich auseinanderzufallen und sich schwach fühlt, im Anblick der Herausforderungen. Die Welt bezeichnet ihn als Freak. Und er bittet Gott um Hilfe, weil er nichts mehr fühlen kann ..
Dieser Song wurde meist als Linda Perrys Auseinandersetzung mit ihrer Homosexualität gedeutet. Mit der sie Anfangs schlecht zurecht kam und wobei sie sich wie eine Ausgestoßene fühlte. Die Realisierung, homosexuell veranlagt zu sein, entwickelte sich zu so einer unerträglichen Belastung für sie, dass sie eines Tages eine Packung Schlaftabletten von ihrer Mutter entwendete und sie alle auf einmal einnahm. Da diese Tabletten ziemlich niedrig dosiert waren, glückte der Selbstmordversuch aber nicht.
“Letter to God” ist ein wunderschöner Song, der dich all die emotionalen Hoch und Tiefs fühlen lässt, durch die sie gegangen ist – wenn du dich darauf einlässt. Hätte Linda Perry nicht all diese Dinge persönlich durchlebt, hätte sie diese auch nie musikalisch so ausdrücken können. Vielleicht hätte sie trotzdem Musik gemacht, aber dann wohl eher etwas oberflächlicheres , wie “Schnappi, das kleine Krokodil”. Irgendwann hat sie ihre Homosexualität positiv angenommen – und wie Courtney Love in einem Interview einst sagte: “Linda nailed every pretty Girl in the business – all of them.”
Letztendlich hat sie dann ihren Frieden in einer Langzeitbeziehung gefunden und hat Sara Gilbert geheiratet. Und so, wie sie anderen Künstlern hilft, im Musikbusiness Fuß zu fassen, ist sie sehr engagiert in der sozialen Unterstützung für die LGTB Community. Sie richtet alljährlich den im Los Angeles LGBT Center stattfindenden Event – “An Evening With Woman” – aus. Sammelt Geld für die Obdachlosen und findet berühmte Künstler, die unentgeltlich dort auftreten.
Ein bemerkenswerter Werdegang für ein verwahrlostes, ungewolltes und ungeliebtes Kind. Oh Mann, was für ein Licht. Was für eine Lebensgeschichte. Und das ist etwas, was sich all die “Das Leben ist nur eine Illusion – nur eine Geschichte” Theoretiker hinter die Ohren schreiben sollten.
Es ist die Geschichte, die zählt. Ohne eine Geschichte, hat das Leben keine Bedeutung. Für unsere Geschichte sind wir hier.
Der Punkt ist – ohne all diese schwierigen Herausforderungen, gäbe es DIESE Linda Perry nicht. Es gäbe nicht DIESEN Blacky Lawless und viele andere Künstler, die wir für ihre Werke und Leben bewundern, gäbe es dann auch nicht. Ihre Erfahrungen, ihre speziellen Lebensgeschichten haben sie zu dem gemacht, was und wer sie sind. Es sind diese kleinen und großen Stolpersteine, die sie überwunden haben. Bei jedem hinfallen wieder aufzustehen und weiterzugehen, durch die sich ihre individuellen Persönlichkeiten formten. Du siehst es nicht, während des Weges. Du siehst es erst, wenn der Weg eine Weile gegangen wurde.
Die größten Entwicklungsschritte machen wir nicht durch Meditation oder mit positiven Denken. Sondern durch die Akzeptanz unserer inneren schwarzen Löcher und indem wir aufhören so zu tun, als ob diese nicht existieren würden. Indem wir uns der eigenen Dunkelheit stellen und durch sie hindurchgehen. Und das ist dann der Grund, warum manchmal das hellste Licht vom dunkelsten Ort scheinen kann.
Until next time same station ..
DISCLAIMER: Nichts was du hier liest ist DIE Wahrheit. Es ist meine Wahrheit. Meine Wahrnehmung und wie ich die Dinge sehe – jetzt, in diesem Moment.
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@ Steven Black
Alle selbst geschriebenen Artikel auf meiner Website, dürfen bei Nennung des Autors und Linksetzung der Website, gerne und jederzeit reblogt und weiterverteilt werden. Ausgenommen davon sind gewerbliche Interessen. Dies bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Autors.
Sehr bewegend! Danke Steven für dieses feurige Plädoyer! Ja, es ist wahrhaftig nicht einfach durch die eigene Dunkelheit zu gehen aber daraus kann (die Betonung liegt auf kann! ;-)) etwas wunder- und licht-volles entstehen!
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Ja, das scheint mir auch so, dass das hellste Licht aus den finstersten Orten kommt. Das lässt mich an die Geschichten des „Schwarzen Lochs“, welche auch als „Singularität“ bezeichnet wird, erinnern, und deren EreignisHoriziont an das „SchwarzeLoch“ gebunden, mittels unglaublicher magischer Gravitation, auch SchwerKraft genannt.
Deine Beispiele veranschaulichen sehr schön, dass aus Ungerechtigkeiten der Impuls zur Genugtuung empfangen sein kann, um sein Recht und gerechtigkeit zu erlangen, so vermag ich es jetzt zu formulieren.
Und „aufrecht“ basiert meist auf linkes und rechtes Bein, bei Tieren oft 2-paarig angelegt, nämlich Vorderläufe und Hinterläufe……
Und „wagerecht“ be-zeichne ich mal, das erlaube ich mir mal, als link-isch bequem und faul, vor sich hinträumend , dass Tat-säch-liche miss-achtend, träumt man unbewusst, nicht wahr oder?…..
Diskussionswürdig in DIAlogen (Dual-Monologen) halte ich nur, was fangen wir mit dem ganzen Scheixx an, was wollen wir aus dem dem Ganzen machen, den Ge-danken, Vor-stellungen, T-Räumen, etc. pp.
Niederträchtig finde ich das herum kritisieren von und an Organisationen und Personen, dass allerdings auch seinen Sinn hat, wenn auch „nur“ vordergründig, oder?
Mir fällt ziemlich oft auf, dass Du, StevenBlack, dich mit deiner Kritik auf die deutsche „AFD“ eingeschossen zu haben scheinst, die braune Schoße aus den Kellern Österreichs missachtend. Warum und wozu, wo du doch eingeborener Österreicher bist, oder nicht? fragt sich jemand und Dich, StevenBlack?
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Es gibt auch reichlich Kritik zur FPÖ, die allerdings – man muss es sagen, bei weitem nicht so deutlich rechtsextrem sind, wie die AFD. Abgesehen davon sind ca. 70 % deutsche Leser und 30% Österreicher.
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