Die dunkle Seite der Erleuchtung

geschrieben von Steven Black:

In den letzten 2–3 Jahren habe ich nicht viel geschrieben und den Blog vernachlässigt. Aber dafür gab es einen triftigen Grund, daher ist dieser Artikel ein überfälliges Update.

Eine Erleuchtungserfahrung

Ich habe nicht darum gebeten, weder angestrebt noch bin ich daran interessiert gewesen. Passiert ist es trotzdem.

Es fing eigentlich harmlos an. Es gab kein “BÄM”, hier hast du. Keine Glückszustände, keine Fanfaren, die es hätten ankündigen können. Es ist vielmehr langsam, aber stetig herein gesickert. Eine Art Kulmination verschiedener Erfahrungen und Erkenntnisse, die ich in den vergangenen 11 Jahren absolvierte, seitdem ich verschiedene Praktiken übte, wie Fühlarbeit, Chakren Clearing und vor allem innere Personen Arbeit. Einen genauen Zeitpunkt kann ich gar nicht benennen, weil es wirklich so langsam in mein Bewusstsein hereingeschlichen kam. Aber es begann mit meiner Erkenntnis, nicht eine Seele zu haben, sondern die Seele zu sein. Das klingt jetzt vielleicht nicht besonders aufregend oder spannend, aber auf mich hatte das einen enormen Impakt.

Es war in einer meiner regelmäßigen Fühlsitzungen, wo ich plötzlich und unerwartet so tief in mich selbst hineingerutscht bin, in den tiefsten Kern meiner Identität – und sie war nicht menschlich. Vor meinem inneren Auge flogen viele Leben vorbei, mal als Mann, mal als Frau und mit einem unfassbaren Verständnis, großer Geduld und einer Akzeptanz, die ich mir als Mensch nicht mal vorstellen kann. Ich erwachte also zu diesem Bewusstsein, dass ich jetzt gerade erneut ein anderes Leben lebte mit einer neuen Persönlichkeit. Und dass ich mir darüber bewusst wurde.

Eigentlich sind mir 3 verschiedene Schichten bewusst geworden, nicht nur eine.

Erstens, ich, die jetzige menschliche Persönlichkeit, mit all ihren selbst- und fremd konditionierten Mustern.

Zweitens, ich, der Teil der Seele, die eingewilligt hat, diese Erfahrung zu machen und sie auch mit-durchlebt.

Drittens, ich, die Seele selbst. Die so reichhaltig und umfassend ist, dass ich nicht mal annähernd dazu imstande bin, es zu beschreiben.

Aber ja, das hatte schon seinen „WOW-Effekt“, natürlich. Zu wissen, wirklich wissen, wer du bist, ist schon einmalig. Und das hat mich seitdem auch nicht mehr verlassen, das bleibt bestehen. Mit der Zeit begann sich, das zu vertiefen und eines Tages begannen sich eher unerfreuliche Zustände zu zeigen. Ich musste lernen, dass eine solche Erkenntnis ihre ganz eigenen Konsequenzen hat. Ich nenne es das Seele-Mensch-Dilemma, und das ist ein längerer Prozess. Dahin gehend, dass beide ungefähr in Alignment, also aufeinander eingestimmt und ausgerichtet sind.

Am meisten darunter zu leiden hatte meine menschliche Persönlichkeit, also mein Alltags-Ich, welches das nämlich „ausbaden“ und integrieren muss. In der spirituellen und philosophischen Literatur gibt es den Begriff „die dunkle Nacht der Seele“. Tja, das ist erstens keine einmalige Nacht und betrifft natürlich auch nicht die Seele, sondern dich als menschliches Wesen. Die Seele hat damit überhaupt kein Drama, die hat alles tausendmal schon gesehen und durchlebt. Nichts Neues unter der Sonne…

Die dunkle Nacht der Seele

Für dich als Mensch schaut das etwas anderes aus. Da musst du erst mal damit klarkommen, dass deine Seele plötzlich zu allerlei Dingen oder Situationen, Kommentare und Ansichten herein purzeln lässt. Zumindest von jenem Teil meiner Seele, der aktiv in diese menschliche Erfahrung eingebettet ist. Und der jetzt eindeutig wach ist und es auch gedenkt zu bleiben. Ganz egal zu welchem Thema, mir werden immer mindestens fünf unterschiedliche Perspektiven gezeigt, wie ich darauf blicken kann. Das mag einerseits interessant sein, ist aber auch ziemlich anstrengend. Die Art und Weise, wie mir das präsentiert wird, ist dabei vollkommen neutral. Es gibt keinerlei Fokus darauf, welches die beste Sichtweise wäre. Außer dass sich der Kontext immer um Fakten dreht, aber die Bedeutung davon mehr oder weniger austauschbar ist. Das fühlt sich zwar richtig, aber auch bedeutungslos und beliebig an.

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Ich meine, fein, ich habe also mehrere Wahlmöglichkeiten, wie ich etwas sehen kann. Aber du fragst dich dann, ob es tatsächlich bedeutungslos ist, welche Perspektive du wählst. Für die Seele, offensichtlich ja, eindeutig. Aber für mich als Mensch, der ja so gerne alles in bestimmte Bedeutungen und Sinnkategorien einreiht, ist es ein Horror, mit solch einer Beliebigkeit konfrontiert zu werden.

Erst mit der Zeit habe ich gelernt, dass das eigentlich nur Vorschläge sind und die Bedeutung eine Entscheidung ist, die ich treffen muss. Ich, als das menschliche Wesen, kann und muss entscheiden, welche Perspektive für mich bedeutend ist. Das heißt allerdings auch, dass du deine persönlichen Beurteilungskriterien heftig überarbeiten musst, um zu den Wahlmöglichkeiten aufzuschließen.

Und das hat mich nicht nur oft überfordert, sondern auch in einige Sinnkrisen katapultiert. Das ist die mentale Ebene. Auf der emotionalen Ebene geht es noch heftiger zu. Da wüten Stürme in dir …

Rising storm

Du fühlst dich dabei komplett einsam und verlassen. Man fühlt sich dabei so weit von anderen Menschen entfernt, niemand scheint dich zu verstehen. Wie auch? Du verstehst dich da ja selbst nicht. Da ist so viel in dir in Bewegung, dass du nicht mal artikulieren kannst, was mit dir los ist. Und du fühlst sehr viel Traurigkeit über all die Illusionen, Projektionen und Überzeugungsmuster, die du jetzt einfach nicht mehr glauben kannst. Viele Bedeutungen, die du bisher dem Leben gegeben hast, sterben einfach einen elenden Tod. Du kannst dabei nicht die Schönheit erkennen, wie viel klarer du jetzt siehst. Nein, du trauerst deinem alten Ich nach, weil du tief in dir weißt, nichts mehr wird wieder so sein, wie es einst war. Du weinst der Tatsache hinterher, dass du nicht mehr den Luxus hast, in einfachen Schwarz-Weiß-Bildern zu denken. Alles wird komplexer, vielschichtiger und du fühlst starken Druck auf dir lasten, um das adäquat zu integrieren. Das wirft dich dann in eine Phase der Depression.

Du wünschst dir dann, niemals von Spiritualität oder Bewusstseinsentwicklung gehört zu haben und einfach nur ein „normales Leben“ zu führen (was immer das sein soll). Spirituelle Phrasen bringen dich zum Kotzen. Meditieren? Geh mir bloß weg damit. Du möchtest einfach nur deine Ruhe haben und von nichts mehr hören. Alles ist dir zu viel. In dieser Phase bist du ein dickes Bündel voller innerer Zerrissenheit, Orientierungslosigkeit und Überforderung. Und du bist eigentlich nur damit beschäftigt, mit deinem Alltag zurechtzukommen, ohne dabei durchzuknallen. Während du gleichzeitig versuchst, eine Fassade von „es ist alles okay“ aufrecht zu halten. Funktioniert zwar nicht wirklich, aber du versuchst es halt …

Es gibt dabei Phasen, die regelrechte Wechselbäder sind und wo du manchmal nicht mehr weißt, wer du jetzt gerade bist oder wer in dir gerade was denkt. Bin ich gerade der Mensch oder die Seele? Diese Art von Identitätskrise zwingt dich nachdrücklich dazu, dich mit allen Aspekten auseinanderzusetzen, was Identität wirklich ist und woraus sie sich zusammensetzt.

SPOILER:

Die Antwort ist nicht – „ da gibt es niemanden, der irgendeine Verantwortung für Handlungen, Gefühle oder Existenz haben könnte.“

Mittlerweile verstehe ich aber etwas besser, woher solche Aussagen kommen und warum. Es scheint der logische Rückschluss zu sein, wenn einem so richtig bewusst wird, wie sehr das eigene menschliche Selbst fremd – und selbst konditioniert geformt wurde, was wir als unsere einzige Identität zu kennen glauben. Anzunehmen, dass deswegen ein Selbst nicht existieren würde, ist natürlich falsch, aber nachvollziehbar. Dieser Prozess raubt dir so ziemlich alle Illusionen, die du jemals über das Leben oder dich selbst hattest und stößt dich in eine Verwirrung nach der anderen. Da ist es sehr leicht, einen falschen Rückschluss zu generieren und zu glauben, dein Ich/Ego wäre das Problem.

Die Antwort ist relativ einfach, aber doch komplex:

Wann immer wir von uns selbst sprechen, beginnen wir mit “ICH” und das erklärt eigentlich nicht viel, außer dass dieses Wort, dieses Ich als ein Selbstreferenzpunkt dient. Es sagt nichts darüber aus, wer oder was in dir gerade spricht. Dein „inneres Kind“ spricht als ich, dein “innerer Teenager”, deine „inneren Wächter“, ALLES in uns spricht als ein Ich – bei der Seele ist das nicht anders. Das Ich sagt nichts anderes als dieser Körper, diese Zeit, dieser Raum – ICH dient als ein Selbstbezugspunkt. Die kindliche Stimme in dir bezieht sich auf deine Zeit, als du noch ein Kind warst, die Teenagerstimme auf deine Teenagerzeit, deine Wächter auf ihre Wächter –und Schutzfunktionen.

Um also zu verstehen, wer gerade in dir denkt oder spricht, muss man eigentlich konzentriert aufpassen und lernen, sich selbst zu reflektieren. Und bei anderen Menschen sollte man aufmerksam zuhören, wenn sie sprechen. Man kann heraushören, wer gerade redet.

Als Menschen lieben wir die Idee einer singulären Ichidentität, die um ein bestimmtes Muster herum gestrickt ist. Aber Identität ist so viel mehr, eher ein System mit vielen Verzweigungen. Wir Menschen sind in der Lage, so ziemlich jede Vorstellung von einer bestimmten Identität zu verwirklichen, wenn wir genug Zeit, Aufwand und Konditionierung dafür aufbringen. Und das machen wir ja – schau dir mal die vielen Variationen menschlicher Erfahrungen an, die quer über den Planeten verstreut sind.

Der Selbstbezug der Seele ist eine andere, sie weiß, dass sie schon alles gewesen ist, was es gibt.

Aber dieser Sinn für dich selbst, dieser intrinsischer Bezug für dich selbst, kommt aus dieser Quelle – von dir als Seele. Und die Ironie dahinter ist, es gibt keinen wirklichen Unterschied zwischen dir als Mensch oder Seele. Als Menschen sind wir uns dessen halt einfach nur nicht bewusst. Wir glauben (oder hoffen zumindest) eine Seele zu haben. Dabei sind wir buchstäblich die Seele. In einem menschlichen Körper und zum Zwecke der Erfahrung mit einer fokussierten menschlichen Persönlichkeit.

Erleuchtung ist eine Phase, kein Endzustand

Ich habe keine “Einheit mit Gott” erlebt, keine “Befreiung vom Ich-denken oder irgendeinen Glückszustand, wie manchmal Erleuchtung verkauft wird. Ich mag nicht einmal das Wort, weil es so nach Superlativen klingt. Aber es ist nun mal der einzige Begriff, der auf meine Erfahrung diesbezüglich zutrifft. Erleuchtung kommt offensichtlich auf verschiedenen Wegen und in allen Farben. Und zumindest für mich bedeutet das nichts anderes, als das Herauswachsen aus der alleinigen menschlichen Identität mit all ihren konditionierten Mustern, hinein in ein viel größeres Identitätsspektrum und dem fest verankerten Wissen, wer und was ich bin. Ich habe also eine Einheit mit mir selbst erlangt und das ist so ziemlich alles, was ich je erreichen wollte.

Mission erfüllt, könnte man da jetzt sagen.

Ja und nein.

Ja, ich habe das erreicht und nein, das ist nicht das Ende davon. Soweit ich das beurteilen kann, ist das lediglich der Anfang gewesen und die Integration und Vertiefung dieser Erfahrung wird weitergehen. Entwicklung hat kein Ende, nie. Ich bin nur mit der schwierigsten Phase durch.

Everyone is a fucking badass of a being!

Ich meine, gib dir das mal:

Du kommst hierher, auf diesen Planeten und entscheidest dich für ein menschliches Leben, während du sämtliche Zugänge zu deiner größeren Identität verschließt, um dich ungehindert auf die menschliche Erfahrung einlassen zu können. Der Punkt dabei ist ja, NUR Mensch zu sein. Das ist schon ziemlich abgefahren. Zumindest war es das lange Zeit. Mein persönlicher Eindruck ist, dass diese Episode sich dem Ende nähert und dass wir künftig mit anderen Voraussetzungen inkarnieren werden. Wir werden Wissen, wer wir sind – von Anfang an. Das wird wahrscheinlich auch das Ende aller Religionen einläuten, weil – nicht mehr notwendig oder hilfreich.

Das wird zwar nichts daran ändern, dass wir trotzdem menschliche Erfahrungen machen. Aber dadurch werden sehr viele Unsicherheiten, Sorgen und Grübeleien hinfällig, die eine fragile Egopersönlichkeit eben hat, wenn sie nicht wirklich weiß, wer sie ist.

Until next time, same station ..

2 Kommentare

  • Monika Ebhart

    Lieber Steven,wow….und nochmals wow. Erst Mal, es ist noch gar nicht lange her, dass ich mich gefragt habe, warum man gar nichts mehr von Dir liest. Und dann wow….was Du da schilderst, erlebe ich auch gerade. Depressionen und der Wunsch niemals diesen spirituellen Weg gegangen zu sein. All die Phrasen und gut gemeinten Ratschläge machen mich aggressiv und finde ich zum kotzen. Das geschwätz von Licht und Liebe, ich könnte schreien. Ich zweifle an Gott und allem anderen. Und wünschte es wäre alles vorbei.  Inzwischen fühle ich mich nur noch wohl wenn ich schlafe. Mein Traumkörper ist jung, gesund, schlank und fit. Auch wenn die Träume meist auch nicht schön sind, halte ich mich dort lieber auf. Dort ist alles irgendwie klarer. Keine Entscheidung treffen, keine Gedanken und grübeln über Sinnhaftigkeit. Es ist wie es ist und ich nehme es wie es kommt.  Danke dass Du mich an dieser Erfahrung teilhaben ließest und ich jetzt weiß, dass ich vielleicht doch nicht den Verstand verliere. Alles liebeMonika 

    Yahoo Mail: Suchen, organisieren, erobern

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  • Lieber Stefan,

    das klingt nach einer harten Zeit für Dich, da Du jetzt darüber schreiben kannst scheint es Dir GSD besser zu gehen – das freut mich.

    viele Deiner Erkenntnisse kann ich auf meine Art nachvollziehen – was fängt man damit an – nichts – weil es ein unendliches Spektrum gibt. Wie du treffend angemerkt hast, die Ich-Identität ist in allen Phasen vorhanden – sie ist wahrscheinlich ein Produkt des inneren Erzählers – und dieser scheint die ganze Welt vereinnahmen zu wollen…

    was ich auch sagen kann – Identität kommt immer aus einer Beziehung heraus – der innere Erzähler/Kommentator mit der Welt, den Objekten usw… daher ist die Identität bedingt – aber auch unendlich in diesem mentalen Kaleidoskop – in der Unendlichkeit kann man keine Kontrolle halten – auch nicht über die Erscheinungsformen der Seele – man muss halt akzeptieren, dass man zwar auch Seele ist – aber nicht in einem Sinne, als dass man Herrschaft und Kontrolle über sie hätte…

    es bleibt der alte Geburtsschmerz in die Welt hineingeworfen zu sein – auch etwas Ohnmacht ist dabei – aber wir ha ben auch Gestaltungsfreiheit 🙂

    was bleibt – loslassen, die Welt nicht mehr retten, Menschen nicht mehr retten, sich selber nicht mehr retten, sterben akzeptieren, wenn der Moment Dich braucht – dann sei da, wenn Mensch Dich braucht sei da…

    Identität verlieren ist sicher sterben und gleichzeitig entsteht was neues – abgedroschen gell 🙂

    hab es fein – wünsch Dir eine gute Zeit

    Liebe Grüße

    Christian

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